Letzten Monat veröffentlichte das Bundesjustizministerium seinen CSRD-Referentenentwurf.
Danach soll die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts zur neuen Vorbehaltsaufgabe werden:
Prüfer sollen sein der Abschlussprüfer oder ein anderer Wirtschaftsprüfer.
Prüfungsdienstleister sollen nicht zugelassen werden, obwohl der WP-Berufsstand viel zu klein ist:
15.000 CSRD-prüfungspflichtigen Unternehmen stehen nur 14.950 Wirtschaftsprüfer gegenüber:
Schon quantitativ ist der Berufsstand überfordert:
Weniger als ein Drittel der Wirtschaftsprüfer macht noch gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfungen, und noch weniger Wirtschaftsprüfer werden gesetzlich vorgeschriebene Nachhaltigkeitsprüfungen machen – wie soll es ohne Prüfungsdienstleister gehen?
Die Wirtschaftsprüferkammer ficht das nicht an. Ihr geht der CSRD-Referentenentwurf sogar noch nicht weit genug.
Trickreich fordert sie umfangreiche Änderungen. Dazu drei Beispiele:
Beispiel 1
Die Wirtschaftsprüferkammer sagt, der Abschlussprüfer sei der geborene Prüfer für den Nachhaltigkeitsbericht.
Zugleich sagt sie: Die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichtes sei – anders als die Abschlussprüfung – keine betriebswirtschaftliche Prüfung, sondern eine Prüfung eigener Art. Dazu soll § 2 Abs. 1 WPO geändert werden.
Heißt: Die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichtes ist eine naturwissenschaftlich-technische Prüfung. Wirtschaftsprüfer sind aber meist BWLer oder VWLer, keine Ingenieure, haben die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichtes eben nicht in die Wiege gelegt bekommen.
Beispiel 2
Allen Warnungen der Industrie zum Trotz: Die Wirtschaftsprüferkammer sieht in einer neuen Vorbehaltsaufgabe grundsätzlich kein Kapazitätsproblem.
Zugleich sagt sie: Es werde nach Inkrafttreten der CSRD voraussichtlich zu wenige Prüfer für Nachhaltigkeitsberichte geben. Es drohe die Situation, dass Unternehmen keinen zugelassenen Wirtschaftsprüfer finden.
Heißt: Also gibt es ohne Prüfungsdienstleister doch ein Kapazitätsproblem.
Beispiel 3
Der CSRD-Referentenentwurf will die Regeln zur Haftung aus der Abschlussprüfung auf die Nachhaltigkeitsprüfung übertragen (§ 324j HGB-E).
Nach dem Versagen bei Wirecard wurde die Haftung verschärft: Für grobe Fahrlässigkeit gelten deutlich höhere Haftungshöchstgrenzen, mitunter sogar unbeschränkte Haftung.
Die Wirtschaftsprüferkammer sagt: Mit nur begrenzter Sicherheit bei Prüfung des Nachhaltigkeitsberichtes statt hinreichender Sicherheit bei der Abschlussprüfung müsse eine niedrigere Haftung einhergehen. Sonst drohe ein unattraktiver Prüfermarkt für Nachhaltigkeitsberichte. Die Entwicklung eines ausreichend großen und stabilen Marktes sei gefährdet.
Heißt 1: Also gibt es ohne Prüfungsdienstleister doch ein Kapazitätsproblem.
Heißt 2: Bei Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten durch Wirtschaftsprüfer ohne naturwissenschaftlich-technischem Verständnis drohen vermehrt Haftungsfälle. Der Abschlussprüfer ist eben doch nicht der geborene Prüfer für den Nachhaltigkeitsbericht.
Übrigens setzt Haftung eine Pflichtverletzung voraus. Ob eine Pflichtverletzung vorliegt, beurteilt sich abhängig vom Sicherheitsgrad. Nur begrenzte statt hinreichender Sicherheit erhöht das Haftungsrisiko keineswegs – mangelndes technisches Wissen dagegen durchaus!
Die kleinen Prüfer sollen ausscheiden, und die großen Prüfer weitgehend enthaftet werden, woll?
Und so geht uns ein Licht auf:
Bei Zulassung von Prüfungsdienstleistern fallen die genannten Probleme weg. Will die Wirtschaftsprüferkammer aber nicht. Und das zeigt: Es geht nicht um Qualität, es geht um Marktbereinigung.
Literatur
- Wirtschaftsprüferkammer, Stellungnahme zum CSRD-Referentenentwurf, 19.4.2024.
- Wirtschaftsprüferkammer, Eckpunktepapier der Wirtschaftsprüferkammer zur Umsetzung der CSRD, 14.2.2023.
- Hommelhoff, Verantwortung der Unternehmen, Leserbrief, FAZ, 27.4.2024.